KI

KI in der Kunst: Mit Vorsicht die Kontrolle über den kreativen Prozess behalten

03 Oktober 2025

Der Walliser Bildhauer und bildende Künstler Jonas Wyssen nutzt seit mehreren Jahren regelmässig künstliche Intelligenz für einen Teil seiner Arbeit. An der Schnittstelle zwischen Natur und Technologie arbeitet er mit den Möglichkeiten der generativen KI und hinterfragt dabei grundlegend, was diese für das zeitgenössische Kunstschaffen bedeutet. Das Wichtigste ist, sich nicht in den unzähligen Möglichkeiten der KI zu verlieren und die Kontrolle über den kreativen Prozess zu behalten.

«Ich habe Stable Diffusion und Midjourney bereits 2022 im Early Access entdeckt und war beeindruckt », erklärt Jonas Wyssen. Diese anfängliche Faszination veranlasste ihn, die kreativen Möglichkeiten dieser Technologien auszuloten, während er ihre Auswirkungen kritisch im Auge behielt. 

Der Künstler zieht eine historische Parallele zwischen dem Aufkommen der KI und demjenigen der Kompaktkamera. «Stellen Sie sich einen Fotografen vor 100 Jahren vor, der auf einen Knopf drückt und feststellt, dass die Maschine die Arbeit erledigt.» Jede technologische Innovation erschüttert etablierte Paradigmen und zwingt die Schöpfer, sich neu zu erfinden. « Heute ist es schwierig, Bilder zu schaffen, die Menschen berühren, zumal jeder eine Kamera in der Tasche hat.»   

Das aktuelle Phänomen der Maschine, die kreativ sein kann, ist jedoch nicht grundlegend neu. Jean Tinguely hatte bereits mechanische Maschinen gebaut, die zeichnen konnten. Die Übertragung der künstlerischen Aktion auf Maschinen ist also nicht erst mit der künstlichen Intelligenz entstanden. Allerdings stellen der Umfang und die Geschwindigkeit der generativen KI neue Herausforderungen dar. «Mit KI lässt sich so schnell etwas schaffen, dass man manchmal vergisst, was man eigentlich tut. Man kann sich in den Tools verlieren, sodass die Maschine die Kontrolle über den kreativen Prozess übernimmt. Da muss man vorsichtig sein», so Jonas Wyssen.

Eine persönliche Methodik für das Schaffen mit KI

Trotz dieser Vorbehalte hat der Schweizer Künstler einen methodischen Ansatz entwickelt, um KI in seine künstlerische Praxis zu integrieren. «Ich produziere 40 bis 50 Bilder mit KI, wähle dann die drei besten aus und bearbeite sie mit Photoshop oder anderen Tools.» 

Der Künstler hat auch den Dialog mit verschiedenen KI-Modellen erforscht und dabei insbesondere seine Erfahrungen mit dem Roboter Da Vinci erwähnt, einem von Mathema in Florenz entwickelten System. Jonas Wyssen bat diese künstliche Intelligenz, die mit den Werken von Leonardo da Vinci gefüttert wurde, ihm ein Selbstporträt der künstlichen Intelligenz zu erstellen. «Um der KI in die Augen schauen zu können», erklärt der Künstler. Das Ergebnis ist verstörend: ein kaum menschliches Gesicht, eingefroren in einem rätselhaften Halblächeln, das an die Mona Lisa erinnert – aber mit jener eigentümlichen Fremdheit, die KI-generierte Bilder oft ausstrahlen und die zugleich irritiert und fasziniert.   

Jonas Wyssen versuchte sich auch an einem Werk, das von Claude Monets Impression Soleil Levant inspiriert war. «Es unterscheidet sich stark vom Original von Monet, aber man sieht, dass es davon inspiriert wurde.» Dieses Experiment wirft sofort die entscheidende Frage nach dem Urheberrecht auf: «Wer hat es wirklich geschaffen? Es handelt sich a priori um eine Gemeinschaftsarbeit, ähnlich wie bei einem Designer, der für seine Arbeiten eine von einer anderen Person entworfene Schriftart verwendet.»  

Die KI etabliert sich ... und verkauft sich

Generell schlägt Jonas Wyssen eine Neudefinition der Rolle des Künstlers vor, der, anstatt durch die Technologie bedroht zu sein, sich zu einem Art Director oder Kurator von Ideen entwickelt, der die von der Maschine generierten Vorschläge lenkt und auswählt. In diesem Zusammenhang stellt die Leistungsfähigkeit der Werkzeuge eine Herausforderung für den Künstler dar, der angesichts der Vielzahl der von der Maschine angebotenen Optionen seine kreative Vision bewahren muss. 

Jonas Wyssen ist weder technikfeindlich noch blind enthusiastisch gegenüber KI, vielleicht weil er sich das Wesen des künstlerischen Schaffens vor Augen hält. «Kunst bedeutet in erster Linie, Menschen zu berühren. Und mit KI ist es trotz ihrer technischen Leistungsfähigkeit schwierig, etwas Beeindruckendes zu schaffen.» Dennoch wurde ein von einer künstlichen Intelligenz geschaffenes Porträt von Alan Turing bei Christie’s für 1,08 Millionen Dollar versteigert. Dies ist ein Beweis für die wachsende Bedeutung der Technologien und dem Interesse dafür im Bereich der Kunst.

Der Inhalt dieses Artikels basiert auf der PRISM-Konferenz vom 13. Mai 2025 in Monthey